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Cruella (2021)

Craig Gillespie, USA 2021 – Der Ansatz ist ja durchaus löblich: Anstatt wie beim seelenlosen König der Löwen oder dem auf allen Ebenen katastrophalen Mulan auf ein weitestgehendes 1:1-Realfilm-Remake von 101 Dalmatiner abzuzielen (zumal es ja auch schon zwei Realfilme dazu gibt), will Disney mit Cruella ähnlich wie bei Maleficent lieber die Vorgeschichte der Antagonistin der Zeichentrickvorlage erzählen. Dass dabei ein nahezu ähnliches Debakel wie Mulan herausgekommen ist, hat mich trotz aller anfänglichen Skepsis aber dann doch überrascht.

Ich würde sogar behaupten, dass dieser Film seine Hauptfigur irreparabel beschädigt. Denn anstatt sich auf eine nachvollziehbare, bodenständige Charakterzeichnung und -entwicklung zu verlassen, wird tief in der Klischee-Mottenkiste gegraben und der Protagonistin eine schizophrene psychische Störung angedichtet. Zwei Herzen schlagen in der Brust des von Emma Stone gespielten jungen Mädchens, das hier im Mittelpunkt steht: Da gibt es einerseits die liebenswerte, zurückhaltende Stella, andererseits die aufbrausende, exzentrische und zu Gewalt tendiere Cruella.

Dieses Mädchen wird von seiner Mutter so erzogen, dass Stella und nicht Cruella die Oberhand hat. Schließlich geschieht die obligatorische Tragödie: Stellas Mutter kommt ums Leben, sie flieht nach London und findet dort Unterschlupf bei den zwei jungen Tunichtguten Jasper (Joel Fry) und Horace (Paul Walter Hauser). Gemeinsam gehen die drei jahrelang auf Diebestouren und knüpfen eine enge Freundschaft. Dabei beweist Stella Talent für Modedesign und schneidert regelmäßig Verkleidungen, schließlich verschafft ihr das einen Job bei einer renommierten Modeschöpferin, die nur „Die Baroness“ (Emma Thompson) genannt wird. Und dort deckt Stella die erschütternden Geheimnisse ihrer Vergangenheit auf.

Obwohl das vergleichsweise simpel klingt, ist dabei eine erstaunlich wirre Geschichte mit einer ebenso wirren Hauptfigur entstanden. So bekommen wir in der ersten Filmhälfte ausschließlich Stella zu sehen, eine Frau also, die gern Erfolg in der umkämpften Modebranche hätte und mit der man durchaus korrespondieren kann. Als Stella ein Geheimnis über die Baroness herausfindet und beschließt, ihr Geschäft zu sabotieren, wird sie innerhalb einer Nacht zu Cruella, die sie, wie auch immer, über Jahre hinweg in ihrem geistigen Hinterstübchen versteckt hat – plötzlich hat sie ihre charakteristischen schwarz-weißen Haare, ein affektiertes Auftreten, behandelt ihre langjährigen Freunde wie Abfall (und die lassen sich das ganz brav gefallen), wird hochnäsig, skrupellos, exzentrisch.

Diese Wandlung geschieht nicht etwa durch eine langsame, nachvollziehbare Charakterentwicklung, vielmehr legt die Hauptfigur einfach einen imaginären Schalter um – und zack, ist geklärt, wie Cruella de Vil zu Cruella de Vil wurde. Na gut, noch nicht ganz, gegen Ende wird das auch noch auf biologische Weitervererbung geschoben. Was die Angelegenheit aber nur noch hanebüchener macht.

Das Skript ist also eine Katastrophe, und Emma Stone versinkt dabei in völligem Overacting. Ist wohl nur logisch, wenn das Drehbuch ihr lediglich Plattitüden in den Mund legt, sie auf einmal zur Martial-Arts-Kämpferin macht, die auf einer Party sechs Sicherheitsleute mit ihrem Gehstock verprügelt (WTF?!?) und man diese Käse irgendwie kompensieren muss. Einziger Lichtblick auf Darsteller*innen-Ebene: Emma Thompson, die ihre Figur so herrlich unterkühlt-gefühllos spielt, dass es einem schon beim Anblick fröstelt.

Das und die durchaus hübschen Kostümdesigns sind dann auch schon die einzig positiven Dinge, die Cruella vorzuweisen hat. Der exorbitante Einsatz von bekannten Songs, mit denen der komplette Film zugekleistert wird, nervt nach wenigen Minuten und entpuppt sich als völlig banal. Die vorab kolportierte Punk-Attitüde („Hihi, wir schreiben Emma Stone auf dem Poster mit einem Anarchie-A- voll egdy!“) ist angesichts der biederen Oberflächlichkeit und der Konformität in Sachen Storytelling sowie Inszenierung von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Und dass der Film ja eigentlich in den 50ern und 60ern spielt, ästhetisch aber auf die 70er und 80er rekurriert, setzt der allgemeinen Verwirrung die Krone auf.

Statt also eine glaubwürdige, interessante und packende Geschichte zu inszenieren, versteift sich Cruella auf die plumpe, klischierte und mindestens fragwürdige Psychologisierung seiner Hauptfigur und nimmt ihr damit jeglichen Reiz. Wie wäre es beispielsweise gewesen, von einer normalen jungen Frau zu erzählen, die durch die Oberflächlichkeit und den Erfolgsdruck der Modebranche derart korrumpiert wird, dass sie zu jener herrschsüchtigen Figur wird, die sie in 101 Dalmatiner war? Ach, das wäre ja viel zu subtil und womöglich sogar kritisch. Lass lieber eine psychisch Gestörte draus machen, simple as that. Und das nun soll die Schlusspointe sein? Na dann Mahlzeit.

Bild & Trailer: (c) Disney

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