The French Dispatch (2021)

Wes Anderson, DEU/USA/FRA 2021 – Wes Andersons Filme sind Geschmackssache – und meinen trafen sie bislang ziemlich gut. Mal vom mittelmäßigen Darjeeling Limited und dem gewöhnungsbedürftigen Isle of Dogs abgesehen konnte ich Filmen wie Grand Budapest Hotel, Moonrise Kingdom, Die Tiefseetaucher oder Die Royal Tenenbaums sehr viel abgewinnen, und das sowohl hinsichtlich der schrulligen Figuren und des flapsigen Erzähltons als auch der markanten Wes-Anderson-Puppenhausästhetik. All das bietet auch The French Dispatch – und doch ist dabei ein enttäuschender, ja sogar ärgerlicher Film herausgekommen.
In vier Episoden erzählt der die besten Storys aus langjährigen Geschichte eines in Frankreich herausgegebenen Magazins einer amerikanischen Zeitung nach beziehungsweise visualisiert sie. Es geht um die Stadt Ennui-sur-Blasé, in der die Redaktion sitzt, um die Entführung des Sohnes eines Polizisten und seine Rettung durch einen Koch, um einen Künstler, der wegen Mordes im Knast sitzt, sowie um eine Studentenrevolte. Auf den ersten Blick eine interessante Idee, die sich bei genauerem Überlegen jedoch als weniger vorteilhaft herausstellt. Schließlich werden hier (fiktive) niedergeschriebene Texte zu Kurzfilmen gemacht – zwei Medien also, die sich durchaus beißen, was ihre Erzählmittel betrifft, und so mündet The French Dispatch in einer Kaskade von Monologen, unterbrochen von gelegentlichen Dia- und Trialogen.
Die Geschichten sind zwar schwungvoll erzählt, und man merkt ihnen durchaus an, dass sie als verkitschte, humorvolle Liebeserklärung an eine andere, ältere Zeit angelegt sind, an französische Kleinstädte, an gedruckte Magazine, an Journalist*innen, die auf die Suche nach verrückten, erzählenswerten Geschichten sind. Doch entpuppen sie sich letztlich als ziemlich blutleer, denn aufgrund der Kürze der Zeit können sich weder Figuren noch Handlung so weit entfalten, dass irgendein emotionaler Anknüpfungspunkt entstehen würde. Die einzelnen Episoden ziehen einfach so vorbei, sind irgendwann abgehakt, und das war’s. Wahrscheinlich will Anderson genau das auch erreichen (und der immer wieder geäußerte Leitsatz des von Bill Murray verkörperten Chefredakteurs „Schreib’s so auf, als hättest du es beabsichtigt“ darf hier durchaus als Metakommentar verstanden werden). Am Ende gilt jedoch: Ein paar nette Anekdoten machen aber noch lange keinen guten Spielfilm.
Um Tiefe vorzugaukeln, kippt Anderson (auch fürs Drehbuch verantwortlich) eine Wagenladung Ironie und Hohn auf das Geschehen. Da wird sich hier lustig gemacht über das Kunstgeschäft, über Verbrecherbanden und Polizei, über politisch aktive Student*innen, die sich in ihrer Selbstgefälligkeit und ihren spät-pubertären Problemen verheddern. Alle paar Minuten wird ein neues Story-Vehikel aus dem Hut gezaubert – eine neue Figur, eine überraschende Wendung, ein neues visuelles Element -, um noch irgendwie Schwung in die Angelegenheit zu bringen. Da das Ganze jedoch mit derart viel hektischem, hochtrabendem Geplapper überpinselt ist, wirkt das letztlich verdammt selbstgefällig und -verliebt und sorgte zumindest bei mir dafür, dass mich der Film nach einer guten halben Stunde verlor und ich ihn in der letzten halben Stunde begann, regelrecht zu hassen.
Natürlich, das verspielte Set-Design und die generelle Optik sind mal wieder ein Genuss, allerdings scheint hier so langsam auch eine gewisse Beliebigkeit und Inkonsequenz hindurch: Gut drei Viertel von The French Dispatch sind in schwarz-weiß gehalten, und würde das noch Sinn ergeben, um die Rückblicke von der Rahmenhandlung in der Redaktion an ihrem letzten Arbeitstag abzugrenzen, tauchen hier allerdings auch in den Kurzgeschichte einzelne farbliche Einstellungen oder gar Zeichentricksequenzen scheinbar willkürlich auf. Und selbst wenn das nicht so wäre, würde es noch lange nicht für einen guten Film reichen. The French Dispatch ist der vorläufige Tiefpunkt im Schaffen eines Regisseurs, der seinen Stil inzwischen ein bisschen zu sehr selbst zu lieben scheint.
Bild: (c) The Walt Disney Company
Müsste ich dafür ne Kinokarte kaufen, hättest du mich endgültig überzeugt es sein zu lassen. So wage ich einen Blick und erwarte einfach gar nichts.
LikeGefällt 1 Person
Das ist vielleicht die beste Herangehensweise. Bekommst du freien Eintritt im Kino, oder wie? ^^
LikeGefällt 1 Person
Zumindest in dem Kino, wo ich arbeite^^
LikeLike
Autsch, das klingt hart. Die Kritiken, die ich bisher zum Film gelesen habe, bewegen sich so im oberen Mittelmaß. Dennoch habe ich meine Karte für die OV am Freitag reserviert. Mit einer geringen Erwartungshaltung in einen Film zu gehen hat schon öfter gut gewirkt.
LikeGefällt 1 Person
Hoffentlich sind Untertitel mit dabei, es wird nämlich sehr viel sehr schnell geredet. Wünsche dir ehrlich ne andere, bessere Erfahrung, als ich sie hatte!
LikeLike
Ja, es wird die OV mit deutschen Untertiteln gezeigt.
LikeLike
Als ich deine Kritik vor einiger Zeit las, dachte ich noch, das könnte nicht stimmen. Jetzt habe ich den Film gesehen… und muss dir leider recht geben. Der Film hat mich auch eher kalt gelassen…
LikeLike