Anthony & Joe Russo, USA 2019
Mittwochabend. Ich sitze in einem zur Hälfte gefüllten Kinosaal. Die Luft ist stickig, das Popcorn rasselt, Cola wird schlürfend durch Strohhalme gesaugt, die Menschen tuscheln. Drei 12-Jährige nehmen hinter mir Platz. Ich befürchte das Schlimmste: endloses Geschnatter. Doch als das Licht erlischt, kehrt schlagartig Ruhe ein. Und das bleibt – bis auf die zahlreichen Lacher zwischendurch – auch bis zum Schluss so.
Dreieinhalb Stunden später verlasse ich den Saal – und bin erst mal platt. Nicht aufgrund der Qualität dieses Films, den ich da eben gesehen habe. Sondern aufgrund seiner Quantität, seiner schieren Masse. 180 Minuten, dutzende Figuren, die von namhaften Schauspielern verkörpert werden, unzählige Schauplätze, zwischen denen hin und her gesprungen wird. Avengers: Endgame ist ein filmischer Koloss. Aber hatte ich vom Abschluss einer mehr als 20 Filme umfassenden Reihe tatsächlich etwas anderes erwartet?
Natürlich nicht. Und trotzdem hat mich dieser Film überrollt – mal zum Guten, mal zum Schlechten. Was ich nach dem formidablen Avengers: Infinity War ebenfalls erwartet (oder zumindest gehofft) hatte: Dass die Regie-führenden Russo-Brüder in Endgame dasselbe inszenatorische Geschick beweisen, Handlungsstränge und Figuren ebenso gekonnt ausbalancieren, den Antagonisten genauso interessant halten und einen ordentlichen Abschluss finden würden.
Erfüllt wurde nur ein Teil dieser Erwartungen. Und so sitze ich einen Tag nach meinem Kinobesuch da, erinnere mich mit Freude an die großen, tollen, teils grandiosen Momente, die Endgame zu bieten hat. Und ärgere mich gleichzeitig über den Mittelteil, der mit seinen diversen Handlungssträngen und Schauplätzen zwar stark an die Erzählstruktur von Infinity War erinnert. Während dort Balance und Tempo aber stimmten, springt Endgame mal zu schnell, mal zu langsam hin und her und lässt dabei immer wieder die nötige zeitliche und räumliche Orientierung vermissen.
Ihr merkt schon: Ich will wie üblich nichts von der Handlung verraten. Tatsächlich weiß Endgame diesbezüglich öfter überraschen – ebenfalls positiv wie negativ. Auch hier bereitet mir der Mittelteil Kopfzerbrechen, stellt er doch eine einzige Ansammlung an Zitaten vergangener Marvel-Filme dar. Und auch wenn keine dieser Szenen Füllmaterial ist, sondern stets die Entwicklung der Handlung und der Charaktere im Fokus steht, so leidet dieser Abschnitt zum einen an zu viel Humor, zum zweiten an Überlänge und zum dritten an der schlichten Tatsache, dass die Referenzen alsbald überhand nehmen.
An diesem Punkt hätte ich Endgame schon fast aufgegeben, fürchtete, dass dieser groß angekündigte Abschluss bestenfalls mittelmäßig werden würde. Bis, ja, bis all diese Erzählstränge schließlich wieder zusammengeführt werden und in einem Finale gipfeln, das mir in seiner epochalen Breite und Fülle die Schuhe ausgezogen hat. Und dieser Abschluss fühlt sich tatsächlich verdammt rund, sprich: wie ein echtes Ende an. Keine Post-Credit-Scene, kein Teaser auf den nächsten Spider-Man-Film oder ähnliches. Stattdessen wird den Hauptfiguren ein angemessener Abgang gewährt.
Geweint habe ich (im Gegensatz zu vielen anderen, wenn man Twitter glauben darf) nicht. Dafür habe ich gelacht, viel wichtiger aber noch gebangt und stellenweise gar gezittert. Und einmal ein verdammt grobe Gänsehaut bekommen. Endgame hat typische Marvel-Probleme – und davon mehr, als noch Infinity War. Weshalb er auch nicht die Klasse seines direkten Vorgängers erreicht. Von den diversen Plotlücken und faulen Drehbuch-Kniffen ganz abgesehen. Doch als vorläufiger Abschluss eines derart großes Franchises, als Rückblick auf das bisher Geschehene und als Zusammenführung der vielen kleinen und großen Storyfäden, die in den vergangenen elf Jahren gesponnen wurden, macht er einen wirklich guten Job.
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