Betonrausch (2020)

Cüneyt Kaya, DEU 2020 – Zwei Typen, die juristische Lücken ausnutzen, arglose Menschen um ihr wohl Erspartes bringen und die Kohle für Luxusvillen, schicke Autos und ausufernde Partys verpulvern: Jap, der Vergleich mit Martin Scorseses The Wolf of Wall Street drängt sich im Falle der Netflix-Produktion Betonrausch zwangsläufig auf. Doch obwohl der grundlegende Plot nahezu identisch anmuten mag, unterscheidet beide Filme nicht nur die Tatsache, dass Betonrausch lediglich halb so lang wie das offenkundige Vorbild ist (und ja, das ist bereits der erste Pluspunkt).

Doch von vorn: Im Zentrum von Betonrausch steht Viktor (David Kross), der nach seinem Schulabschluss das Haus seines Vaters verlässt, um in Berlin sein Glück zu suchen. Dort läuft er zunächst gegen Wände und landet de facto auf der Straße, bis er unter falschem Namen ein Appartement mietet und es an zwei Dutzend osteuropäischer Bauarbeiter weitervermietet. Bald lernt er den Halunken Gerry (Frederick Lau) kennen, mit dem er ins Immobiliengeschäft einsteigen will. Zwei Dinge werden Viktor schnell klar: Wer Erfolg vorgaukelt, hat bereits die erste Hürde zum echten Erfolg gemeistert. Und: In diesem Geschäft ist sehr, sehr viel Geld zu holen.

Die deutlichste Differenz zu The Wolf of Wall Street, die sich erst vergleichsweise zeigt, ist der ausgeprägtere moralische Kompass von Betonrausch. Während Leonardo DiCaprios Jordan Belfort noch hemmungslos dem Hedonismus frönen konnte und das Publikum durch die Inszenierung dazu aufgefordert war, mindestens genau so viel Spaß dabei zu haben, zeigt Betonrausch die (Selbst-)Zweifel der Protagonisten auf – und blendet auch das Leid ihrer Opfer nicht aus. Beide Ansätze sind weder prinzipiell richtig noch falsch. In diesem Fall passt es aber einfach, da sich die deutsche Produktion deutlich bodenständiger und authentischer gibt. Und im Gegensatz zu Scorseses Film nicht auf wahren Begebenheiten basiert, sodass keine kritische Distanz durch Überzeichnung geschaffen werden muss.

Ebenfalls gelungen ist die thematische Verschiebung, weg vom amerikanischen Bankensystem hin zum deutschen Immobilienmarkt und damit zu einem akuten und hochaktuellen Thema. Zwar zeigt Betonrausch durch seinen spezifischen Fokus auf die Gaunereien dieser zwei fiktiven Figuren (plus einer Dame, gespielt von Janina Uhse) nur einen überspitzten Ausschnitt der Realität und interessiert sich wenig für grundlegendere Probleme. Dennoch legt er den Finger in die Wunde und offenbart die kilometerweiten Schlupflöcher, durch die mit Sicherheit sehr viele Immobilienspekulanten in der Realität operieren. Wer sich im Vorwurf der Kopie festfahren will, wird sich auch an den recht formelhaften Familien- und Liebes-Subplots stören. Alle anderen können das angesichts der Kurzweiligkeit, die Betonrausch zweifellos besitzt, verschmerzen und einen unterhaltsamen Film genießen, der im Gegensatz zur ersten deutschen Netflix-Produktion Isi & Ossi keine Zeit- und Geldverschwendung ist.

Bild & Trailer: © Netflix

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