Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)

True History of the Kelly Gang, Justin Kurzel, AUS/UK 2019 – Filme, die mit einem Widerspruch beginnen, sind erst mal prinzipiell interessant. Nichts in der nachfolgenden Geschichte sei wahr, verkündet ein Schriftzug zu Beginn von Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang, nur damit die Hauptfigur kurz darauf das Gegenteil behaupten darf und den Brief an sein ungeborenes Kind mit den Worten beginnen lässt, dass alles, was er jetzt über sein Leben aufschreibe, absolut der Wahrheit entspreche. Andernfalls solle er auf ewig in der Hölle schmoren.

In diesem Fall zahlt es sich jedoch aus, den Worten des Regisseurs und nicht denen von Ned Kelly (George MacKay) glauben zu schenken. Denn wie das oft anachronistische Kostümdesign sowie die Inszenierung mit zeitgenössischer Rockmusik und Stroboskoplichtern nahelegen (ebenso wie die Tatsache, dass Ned Kelly hier ein konstant glatt rasiertes Gesicht hat), nimmt es die True History of the Kelly Gang (so der Originaltitel) mit der Wahrheit ganz bewusst nicht sehr genau. Justin Kurzel (Macbeth, Assassin’s Creed) erlaubt sich stattdessen diverse inhaltliche Freiheiten und setzt erneut auf eine stark stilisierte und artifizielle Bildsprache, um die Lebensgeschichte des berühmtesten Outlaws Australiens zu erzählen.

Der wächst in einer dysfunktionalen Familie auf und wird zwar von seiner Mutter (Essie Davis) geliebt, im frühen Alter aber auch an den Gangster Harry Power (Russel Crowe) verkauft, durch den er alsbald das erste Mal in Konflikt mit dem Gesetz kommt. Einem längeren Gefängnisaufenthalt folgen der Einstieg in dubiose Kreise und schließlich eine Fehde mit einem hochrangigen Beamten (Nicholas Hoult), die zur Festnahme seiner Mutter und infolgedessen zum endgültigen Einstieg in die Schwerverbrecherkarriere führt.

Und genau an dieser Stelle liegt die große Schwäche dieses eigentlich interessanten und wahnsinnig toll gefilmten wie auch gespielten Biopics: Ist Ned Kelly in den ersten beiden Akten noch ein getriebener und deshalb nachvollziehbar denkender und handelnder Mensch, kommt der Umbruch zum wahnsinnigen Mörder aus dem Nichts. Wo und warum dieser Geisteswechsel stattgefunden hat, wird in Outlaws nicht erkennbar und entfremdet den Antihelden vollends vom Zuschauer. Die Ausmaße seiner Taten werden darüber hinaus in Dialoge abgeschoben: Bis auf ein (zugegeben sehr grausames) Blutbad zeigt der Film nicht, was sich Kelly zu Schulden hat kommen lassen. Das als Charakterstudie angelegte Biopic büßt seine Faszination im letzten Drittel ein. Daran kann auch der brillant inszenierte Showdown wenig ändern.

Bild: © Film 4

Comments

2 Antworten zu „Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)”.

  1. Avatar von filmlichter

    Nach Macbeth (Ass Creed ignorier ich mal) erwartete ich mir eigentlich viel von dem Film. Aber alles was ich bislang drüber gelesen habe, macht mir Sorgen. Die hast Du mir jetzt auch nicht genommen. Das klingt als wolle der Film weg vom Robin Hood Image Kellys, aber dennoch nicht wirklich das Ausmaß seiner Taten zeigen… Ist die Rüstungs-Szene eigentlich im Film? Das erwähnt nie jemand.

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    1. Avatar von christianneffe

      Ja, ein Großteil der Laufzeit beschäftigt sich mit seiner Kindheit/Jugend, von Robin Hood ist da nichts zu spüren. Ich bin zugegeben historisch auch nicht allzu bewandert, was seine Taten angeht. Aber von denen bekommt man auch wenig mit. Das Ganze wird also tatsächlich auch eine sehr persönliche Ebene heruntergebrochen.
      Aber ja, die Rüstungsszene ist drin. Das ist das erwähnte spektakuläre Finale.

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